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KATHPRESS-Tagesdienst Nr.15, 17. Jänner 2024


Wiener IKG-Generalsekretär: Vom Hass nicht einschüchtern lassen (16. 01. 2024)

IKG-Generalsekretär Benjamin Nägele appellierte bei Feier im Rahmen des "Tages des Judentums" dafür, "Botschafter der Toleranz" zu sein - Christlich-jüdische Gedenkveranstaltung in Wien musste aufgrund von Sorge vor Konflikten örtlich verlegt werden.

Der Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, Benjamin Nägele, hat appelliert, sich von zunehmendem Antisemitismus und Angriffen auf jüdische Einrichtungen nicht abschrecken zu lassen. "Seien wir Botschafter der Hoffnung und der Toleranz, lassen wir uns davon nicht einschränken und sagen wir Veranstaltungen nicht ab", sagte Nägele bei einer christlich-jüdischen Gedenkveranstaltung am Dienstagabend im Curhaus am Stephansplatz. Das Gedenken an die Simmeringer Vereinssynagoge im Rahmen des kirchlichen "Tag des Judentums" bzw. "Tag des Gedenkens" hätte ursprünglich im 11. Bezirk selbst stattfinden sollen, aus Sorge vor Konflikten wurde es auf Bitte der Bezirkspolitik kurzfristig in die Wiener Innenstadt verlegt. Diese Entscheidung nannte Nägele wörtlich ein "falsches Zeichen". Umso wichtiger sei es, sich zu erinnern und sich mit dem Judentum "abseits von Antisemitismus", der seit dem 7. Oktober leider auch in Österreich stark zugenommen habe, auseinanderzusetzen, so Nägele. Er dankte den Initiatoren des "Tag des Judentums" für das "wichtige Zeichen der Solidarität" seit vielen Jahrzehnten. Der Generalsekretär wies auf die "Zäsur des 7. Oktober" mit der Verschleppung hunderter Unschuldiger hin. Es handle sich um das schlimmste Pogrom an Jüdinnen und Juden nach dem Zweiten Weltkrieg, das die Formel des "Nie wieder" wie Hohn erscheinen lasse. Das Gesche-hene habe die Jüdinnen und Juden auch in Österreich über Wochen beschäftigt, so Nägele, der es als besonderen "Kraftakt" bezeichnete, dass man wieder zu einer "gewissen Normalität" zurückgekehrt sei.

Das Simmeringer jüdische Gebetshaus, 1900 nach Plänen des Architekten Jakob Gartner errichtet, wurde 1938 im Zuge der Novemberpogrome der Nationalsozialisten zerstört. Es gehe darum, "die historischen Fakten in Erinnerung zu rufen und des Unrechts zu gedenken", betonte der Wiener Domdekan Rudolf Prokschi in seiner Begrüßung im Curhaus.


„Trifft eine Gemeinschaft ins Herz“

Viele fragten sich, warum man eines Gebäudes gedenken solle, nicht der Menschen, betonte Martin Jäggle, Vorsitzender des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit. "Man trifft eine Gemeinschaft ins Herz, wenn man eine Synagoge zerstört", zeigte er sich überzeugt, "sie ist Versammlungs-, Gebets- und Lernort". Ein Gedenken, ohne daraus zu lernen, habe keine Wirkung, so Jäggle. Es gehe nicht um das Gedenken an das Gebäude, sondern um die Erinnerung an die Gemeinschaft, die sich dort versammelte.

Die Simmeringer evangelische Pfarrerin Anna Kampl betonte die Wichtigkeit des Gedenkens an die jüdische Gemeinde in ihrem Bezirk. Man sehe sich als Pfarrgemeinde zur Gedenkkultur verpflichtet, so die Pfarrerin. "Die evangelische Kirche trägt historische Mitschuld am Antisemitismus", erinnerte sie daran, dass sich die Kirchen gegenüber dem Unrecht an den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern lange ausgeschwiegen haben. "Wir sind dem Rad nicht in die Speichen gefallen", so Kampl in Anlehnung an den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer, der 1945 von den Nationalsozialisten ermordet wurde.

Einst 95 Synagogen in Wien

Pierre Genee, Autor des Buches "Wiener Synagogen", das sich mit der Baugeschichte der Wiener Synagogen, eingebettet in die Geschichte des Wiener Judentums vom Vormärz bis zum Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland, auseinandersetzt, erinnerte an die 95 jüdischen Bethäuser, die vor der Reichspogromnacht in Wien errichtet wurden. Jahrhundertelang sei Wien als Hauptstadt der Donaumonarchie Heimat für eine bedeutende jüdische Gemeinde gewesen, so der Autor.


Elisabeth Lutter von der "Vernetzten Ökumene Wien" betonte die Bedeutung des Gedenkens, das heute "nötiger denn je" sei. Die langjährige Organisatorin des "Tag des Gedenkens" gab zudem ihren Rückzug von der Tätigkeit bekannt. Ihr Nachfolger wird Heinrich Bica von der "Vernetzten Ökumene". Der "Tag des Judentums" wird seit dem Jahr 2000 begangen. 2019 führte der Koordinierungs-ausschuss gemeinsam mit Partnern eine Dreiteilung ein; einen "Tag des Lernens" (15. Jänner), einen "Tag des Gedenkens" (16. Jänner) und einen "Tag des Feierns" (am eigentlichen "Tag des Judentums" am 17. Jänner). (Infos: https://christenundjuden.org/) 17.01.2024 (KAP)

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